Bei dieser Gruppenstunde begebt ihr euch auf eine Wertereise! Als Einstieg ins Thema dient das Lied “Ich bin reich” von den Ärzten. Dort wird der Stellenwert von Reich- und Schönsein in unserer Gesellschaft thematisiert.
Anschließend überlegen die Jugendlichen, was ihnen im Leben wichtig ist bzw. wie sie sich ihr Leben in zwanzig Jahren vorstellen. Ihre Gedanken halten sie in Stichworten auf Zetteln fest. Diese werden eingesammelt, anonym an eine Tafel oder Wand gehängt, ohne Kommentar vorgelesen und verdeckt. Nun werden auf Tischen vorbereitete Wertekarten ausgelegt. Die Teilnehmenden gehen umher und “packen” dreißig von diesen in ihre Rucksäcke, d.h. sie übertragen sie auf ihr Arbeitsblatt. Wer etwas vermisst, darf es hinzufügen. Dann beginnt die Wertereise (siehe unten): Der/Die Gruppenleiter*in liest die Geschichte der Reise vor. Währenddessen sollen sich die Jugendlichen nach und nach von Werten aus dem Rucksack verabschieden. Am Ende bleiben die wichtigsten zehn übrig. Man bespricht in der Gruppe, wem was wichtig ist und thematisiert eventuelle Gemeinsamkeiten.
Jetzt wendet man sich wieder der Tafel, bzw. Wand zu, und vergleicht die Ergebnisse der Wertereise mit den Gedanken vom Beginn der Gruppenstunde. Da Werte etwas sehr Persönliches sind, empfiehlt es sich, während der ganzen Gruppenstunde sehr sensibel vorzugehen und den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, sich nur dazu äußern zu müssen, was sie freiwillig preisgeben wollen.
Alter: 13 – 16 Jahre
Dauer: ca. 90 Minuten
Personen: ab 5
Material: Zettel, Stifte, Lied von den Ärzten, Arbeitsblatt, Wertekarten, Text der Wertereise
von Matthias Dufner (aus “Krokant” der Mitgliedszeitschrift der KjG Freiburg)
Wertereise
Wir begeben uns auf eine Weltreise. Alle Vorkehrungen sind getroffen. Der Rucksack ist gepackt. Darin befindet sich alles, was euch als individuelle Person ausmacht und was euch im Leben und fürs Leben wichtig ist. Ihr habt den Rucksack voller und Werte und Talente, die euch prägen. Jedem von euch sind andere davon wichtig. Der eine denkt vielleicht, er hätte viel zu viel eingepackt. Lauter Plunder, den er niemals brauchen wird. Der andere hätte gern noch mehr eingepackt, wäre der Rucksack etwas größer gewesen. Sicher ist aber, dass es eine lange und beschwerliche Reise werden wird, auf der sich noch zeigen wird, was wichtig ist und auf was wir eher verzichten können.
Wir beginnen also unsere Reise am Bahnhof in N.N. Da wir alle knapp bei Kasse sind, lösen wir keine Fahrscheine – es wird schon gut gehen. Es kommt ja sowieso nie ein Kontrolleur. Dann plötzlich in N.N. steigen zwei Männer ein, die die Fahrscheine sehen wollen. Da wir keine haben, müssen wir uns von einem Talent aus unserem Rucksack trennen.
Von N.N. fahren wir mit dem Zug weiter bis nach N.N., von wo aus wir per Flugzeug nach Edinbourgh fliegen. Dazu trennen wir uns wieder von zwei Talenten. In Edinbourgh bleiben wir nicht lange. Wir wandern durch die schottischen Highlands an die Westküste, von wo wir mit einer Fähre nach Nordirland übersetzten. Die Überfahrt verdienen wir uns mit Kartoffelschälen in der Kombüse, so können wir unsere Talentvorräte schonen.
Nach mehreren Tage „on the road“ und ohne Bett zum Schlafen, steigen wir in Belfast in einem Youth Hostel ab. Für drei Nächte bezahlen wir mit einem Talent.
Nach drei interessanten Tagen in Nordirland, machen wir noch einen Abstecher in die irische Republik nach Dublin. Von hier aus wollen wir weiter nach New York. Doch die Fluggesellschaften und auch die Reedereien akzeptieren hier keine Talente als Zahlungsmittel. Wir stehen vor einem Problem.
Wir treffen auf eine Jugendgruppe, die Tickets nach Vancouver hat. Sie wären bereit sie uns gegen Talente aus unseren Rucksäcken abzugeben. Nach einigem Hin und Her einigen wir uns auf drei Talente.
Nach mehrstündigem Flug landen wir in Vancouver. Am Horizont türmen sich die schneebedeckten Costal Mountains auf. Doch wir können weder Landschaft noch Stadt genießen. Wir wollen duschen und anschließend schlafen, einfach nur schlafen. Aber alle Jugendherberge und Pensionen sind überfüllt.
Egal, wir leisten uns für zwei Talente ein Hotelzimmer – wenigsten für ein paar Tage gutes Essen und sichere Schlafplätze. Als wir am nächsten Tag durch Vancouver bummeln, sitzt ein blinder Bettler am Straßenrand. Einige von uns haben Mitleid und schenken ihm 1 Talent – freiwillig.
Die anderen haben weniger Mitleid. Sie behalten ihre Talente. Komisch das ausgerechnet diese abends bemerken, dass jeder von ihnen 1 Talent verloren hat. Alles in allem hat jeder 1 Talent in Vancouver gelassen, die einen freiwillig, die anderen nicht.
Der Flug nach Californien kostet Tags darauf jeden zwei Talente. Der Rucksack lehrt sich, langsam, aber sicher. Er wird aber auch leichter. Vielleicht sind wir schon manche Last los geworden, die uns wichtig erschien, die wir jetzt aber nicht vermissen. Unsere wichtigsten Talente besitzen wir ohnehin noch.
Californien. Strand, Meer und Sonne. USA. Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Wir fühlen uns frei und unbeschwert.
Nach unbeschwerten Tagen in Californien überqueren wir die mexikanische Grenze und reisen mit diversen Zügen durch Mittelamerika, bis wir die Anden erreichen. Die verschieden Züge haben uns wieder zwei Talente gekostet. Hier in Peru, auf fast 4000 Meter Höhe, wo die Luft dünn ist, geht der Lebensrhytmus anders. Alles verläuft gemächlich, jeder Schritt kostet zwei Atemzüge. Wir steigen nach Macchu Picchu auf. Das war die ehemalige Hauptstadt des Inkareiches, die selbst den Kolonialherren lange verborgen blieb. Was würden die Steine zu erzählen wissen, könnten sie sprechen?
Wir wollen weiter nach Chile. Ein Lastzug nimmt uns mit von der Grenze nach Santiago de Chile, der Hauptstadt. Von hier aus wollen wir weiter nach Neuseeland. Doch im Moment haben wir noch vieles nicht gesehen, was dieses Land zu bieten hat. Wir sehen viel unberührte Natur, genießen die Schneeberge Patagoniens und die tollen Parties in der Hauptstadt Santiago.
Der Flug nach Neuseeland kostet uns ein Talent. Ein hoher Preis. Doch er ist es wert. Neuseeland ist klasse: Wir besteigen Berge, baden in klaren Gebirgsbächen und besuchen die Drehorte zum Herrn der Ringe: Bruchtal und Mordor, Hell und Dunkel, Schön und Hässlich, Gut und Böse. Wir treffen einige Aussteiger, die ein einsames Tal bewohnen. Sonderlinge, die die Gesellschaft meiden, und so ihr eigenes, in ihren Augen besseres Leben führen. Hier bei diesem besonderen Schlag Menschen lässt es sich prima Leben. Denn trotz der Einfachheit ihres Lebens wissen sie zu feiern…
Neuseeland verlassen wir mit einem lachenden und einem weinendem Auge. Peking ruft.
Zwei Talente kostet der Flug. In Peking treffen wir eine Frau, die uns von ihrem Mann erzählt. Er sitzt im Gefängnis. Er ist politischer Gefangener. Er hat das kommunistische System kritisiert. Gott sei dank leben wir in einem freien Land, denken wir uns.
Die Frau bewirtet uns. Wir danken ihr, wünschen ihr viel Glück und Kraft und verabschieden uns.
Nächste Station Israel. In Neuseeland haben wir uns durch Gelegenheitsjobs etwas Geld verdient und müssen jetzt kein Talent für den Flug nach Jerusalem opfern. In Israel werden uns unser restliches Geld und unsere Pässe gestohlen. Wir sind aufgeschmissen. Was tun? Verzweifelt wenden wir uns an einen Touristen. Er ist Deutscher und Christ. Doch er glaubt uns nicht: „Da kann ja jeder kommen“. Wir müssen weiter suchen. Der nächste, den wir ansprechen, ist Franzose. Auch er verweigert uns seine Hilfe. Als es dunkel wird, bietet uns ein Paar seine Hilfe an. Er ist Mohammedaner, sie Jüdin. Sie bringen uns zur deutschen Botschaft, wo uns geholfen wird.
Mit einem Flugzeug der Botschaft fliegen wir nach Rom. Rom, Hauptstadt Italiens. Hauptstadt des Christentums.
Petersdom, Kolosseum, Circus Maximus und Pantheon. Enge Gassen, kleine Cafes auf den Piazzi und Pizza so viel wir essen können. Die Reise neigt sich dem Ende zu, das Geld ist verbraucht, die Rucksäcke sind leicht geworden.
Ein kleines Mädchen spricht uns an. Ihre Mutter sei krank und habe kein Geld für den Arzt. Manche von uns schenken ihr freiwillig ein Talent. Die anderen sagen: „Spinnst du. Die hat das erfunden. Die verdient ihr Geld, indem sie die Touristen anschnorrt. Glaub der nicht!“
Die, die ihr Talent behalten haben und das Mädchen weggeschickt haben, werden bei unserer Abreise einige Tage später bestohlen, somit hat jeder von uns ein Talent in Rom gelassen.
Die Zugfahrt nach N.N. und von dort nach N.N. kostet uns ein Talent.
Der Zug fährt durch die Alpen und unsere Freude auf daheim wächst. Nach langer Zeit werden wir Freunde und Familie wiedesehen. Ob sich etwas verändert hat? Wir kommen gesund in Neustadt an. An Erfahrungen reicher und vielleicht auch etwas klüger, stehen wir am Bahnhof. Wir waren sechs Monate unterwegs. Alles ist vertraut, aber dennoch irgendwie fremd. Wir mussten uns von vielem trennen, was uns wichtig war. Etliche Talente und Werte haben wir in vielen Ländern gelassen. Ein letztes Talent geben wir für ein gemeinsames Essen aus.
Zehn Talente sind übrig geblieben, es sind für jeden Einzelnen die wichtigsten. Es sind die, die unser Leben bestimmen. Die, die uns zu dem machen, was wir sind: Jeder anders und doch jeder Mensch.